Am 29. November präsentierte der BUND für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V. auf dem Wilhelmsplatz in Stuttgart seine aktuelle Kampagne „Spritfresser enttarnen“.
Der BUND wirft den Automobilherstellern vor, ihr Versprechen, den durchschnittlichen Spritverbrauch im Jahr 2008 auf 5,7 Liter zu senken, nicht einhalten zu können. Derzeit liegt der Spritverbrauch bei Neuwagen bei 7 Liter pro 100 km.
Um die negativen Folgen eines zu hohen Spritverbrauchs und damit eines zu hohen CO2 Ausstoßes für die Natur bildlich darzustellen, hat der Bund die aktuellen Werbeplakate der führenden Automobilhersteller nach ihren Vorstellungen umgestaltet.
Wir waren dabei und haben Herrn Dr. Werner Reh, Referent für Verkehrspolitik beim BUND, der extra für diese Kampagne aus Berlin nach Stuttgart angereist war, um ein Interview gebeten.
IchBlogDich: Sehr geehrter Herr Dr. Reh. Welche Aufgaben bestreiten Sie beim BUND für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V.?
Dr. Werner Reh: Ich bin Referent für Verkehrspolitik beim BUND. Wir setzen uns für eine nachhaltige Form der Mobilität ein, die die Gesundheit der Menschen, aber auch das Klima und die natürlichen Ressourcen schützt.
IchBlogDich: Was war der Auslöser für Ihre aktuelle Aktion „Spritfresser enttarnen“?
Dr. Werner Reh: Dass uns klar wurde, dass die deutsche Autoindustrie ihre Selbstverpflichtung nicht einzuhalten gedenkt, den durchschnittlichen Spritverbrauch ihrer Neuwagen bis Ende auf 2008 auf 6 l/100 bei Benzinern oder 5,3 l/100 km bei Diesel-Pkw – das entspricht einer Emission von 140 g CO2 pro km – zu reduzieren. Weil der BUND schon im April d.J. kritisiert hatte, dass die deutsche Autoindustrie vor allem Spritfresser-Pkw bewirbt, lag es nah, die Autowerbung zu verfremden, indem wir die Klimafolgen dieser Modellpolitik in der Werbung bildlich sichtbar machten.
IchBlogDich: Was sind ihre Forderungen an die Automobilindustrie?
Dr. Werner Reh: Ihr Versprechen, das sie in der Selbstverpflichtung 1998 gegenüber der EU-Kommission abgegeben haben, einzuhalten und den Verbrauch bis 2008 auf 140 g CO2 zu reduzieren. Zweitens folgt das von der EU bereits verabschiedete Ziel, bis 2012 die Grenze von 120 g CO2 zu unterschreiten, das entspricht einem durchschnittlichen Verbrauch der Neuwagen von 5,1 l/100 km bei den Benzinern und 4,6 l/100 km bei den Diesel-Pkw. Der dritte Schritt soll 2020 erreicht werden mit der Halbierung des heutigen durchschnittlichen CO2-Ausstosses von Neuwagen auf 80 g. Damit könnten dann pro Jahr 50 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden, das entspricht 6% des gesamten CO2-ausstosses in Deutschland.
IchBlogDich: Wo liegt Deutschland im Vergleich zu den Europäischen Nachbarstaaten beim durchschnittlichen Spritverbrauch und bei den dabei entstehenden CO2-Emissionen?
Dr. Werner Reh: Deutschland liegt im europäischen Konzert weit hinten, an drittletzter Stelle. Die CO2-Emissionen der Neuwagen sind in Deutschland etwa 10 Gramm höher als im europäischen Durchschnitt. Keiner der deutschen Hersteller hat seine Spritspar-Hausaufgaben erfüllt im Gegensatz zu einigen ausländischen Herstellern wie Renault und Fiat.
IchBlogDich: Neulich forderte der EU Kommissar Dimas, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre CO2-Emmissionen um 10 Millionen Tonnen stärker reduzieren sollen als von Berlin geplant. Es geht hierbei um die CO2-Emissionen der deutschen Industrie und Energiehersteller. Die Reduzierung der CO2-Emisionen scheinen ein sehr aktuelles Thema zu sein.
Gibt es von der EU ähnliche Richtlinien oder Forderungen für den Kraftstoffverbrauch und die Co2-Emissionen durch Kraftfahrzeuge? Wenn ja, wo liegen diese Werte und mit welchen Sanktionen muss ein Land rechnen, wenn die Richtwerte nicht eingehalten werden?
Dr. Werner Reh: Die Selbstverpflichtung der 140 g CO2 für den Durchschnitt der Neuwagen gilt für alle europäischen Hersteller. Sie wurde von der europäischen Autoindustrie vorgelegt. Auch die japanischen und die koreanischen Hersteller haben sie übernommen. Von der EU und von der deutschen Ratspräsidentschaft verlangen wir, dass sie durch verbindliche Verbrauchsgrenzwerte die Einhaltung dieser Selbstverpflichtung bis 2008 sicherstellt.
IchBlogDich: In ihrer Kampagne prangern sie Fahrzeugmodelle der führenden Fahrzeughersteller Mercedes, BMW und VW an, die teilweise über 19 Liter auf 100 km Kraftstoff verbrauchen. In Anbetracht der hohen Arbeitslosenzahl, der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre in Deutschland und der in den letzten Jahren stark gestiegenen Spritpreise, klingt dies nicht wie eine markt- und kundengerechte Ausrichtung der deutschen Automobilhersteller. Dennoch nehmen die deutschen Kunden kleine und Sprit sparende Modelle kaum an. Woran liegt das?
Dr. Werner Reh: Die bisherigen Spritsparmodelle waren viel zu teuer. Man baut erst ein normales Kleinauto mit recht hohem Spritverbrauch und baut dann im Nachhinein die Spartechnik zur Verbrauchsreduzierung ein. Alle Sparmodelle sind Dieselfahrzeuge und auch deshalb deutlich teurer als die günstigeren Modelle mit Ottomotor. Ihre Anschaffung lohnt nur für Vielfahrer mit über 20.000 km Jahresfahrleistung. Wir brauchen aber leichtere und kleinere, nicht mehr wie bisher auf Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung getrimmte Fahrzeuge, Sparzeuge eben.
IchBlogDich: Wären gesetzliche Regelungen z.B. in Form eines maximalen durchschnittlichen Flottenverbrauchs eine Lösung?
Dr. Werner Reh: Ja. Ein Flottenverbrauchs-Grenzwert hat den Vorteil, dass die Hersteller auch künftig ein breites Angebot an Fahrzeugen anbieten und trotzdem die nötigen Durchschnittswerte erreichen können.
IchBlogDich: Unterschiedliche Ausrichtungen unterschiedlicher Hersteller ließen wohl kaum einen einheitlichen Wert zu. Nehmen wir einmal Porsche im Vergleich zu Ford. Ford wird aufgrund seiner im Vergleich zu Porsche unterschiedlichen Modellpolitik einen niedrigeren Flottenverbrauch haben. Wie könnte man hier z.B. in Form von CO2-Emissionspapieren einen Ausgleich schaffen?
In der Energieindustrie wird ja mit CO2-Emissionspapieren schon länger gehandelt. Leider bekommen die Energiehersteller diese vom Bund geschenkt – geben die angeblichen Kosten für die Papiere dennoch an ihre Kunden weiter. Könnte hier nicht ein ähnlicher Faupax drohen?
Dr. Werner Reh: Porsche hätte mit seinen durchschnittlich 300 g für seine Neuwagen ein Problem. Evtl. könnten sie bei VW mitgezählt werden. So viele Porsches fahren ja nicht durch die Gegend. Oder es könnte in der Tat ein Emissionshandel eingerichtet werden, der allerdings einfach gestaltet sein muss, um die sog. Transaktionskosten niedrig zu halten. So etwas gibt es z.B. in Kalifornien unter A. Schwarzenegger.
IchBlogDich: Wie werden die CO2-Emissionen in anderen Ländern geregelt? Welche Sanktionen drohen dort den Automobilherstellern?
Dr. Werner Reh: In China, Japan und in Kalifornien gibt es bereits Verbrauchsvorschriften. Die europäischen, koreanischen und japanischen Hersteller haben sich durch Selbstverpflichtungen gebunden.
IchBlogDich: Müssten sich die deutschen Automobilhersteller nicht zwangsläufig solchen Länder mit strengeren gesetzlichen Regelungen was die CO2-Emissionen angeht, anpassen, um ihren Export nicht zu gefährden?
Droht hier die deutsche Automobilindustrie evtl. einen Trend zu verschlafen ähnlich wie bei den Russpartikelfilter für Dieselfahrzeuge?
Dr. Werner Reh: In China sollen die bestehenden Verbrauchsvorschriften im nächsten Jahr verschärft werden. Vielleicht gibt es dann demnächst Sparautos, die nur fürs Ausland produziert werden, um die dortigen Vorschriften einzuhalten.
IchBlogDich: Wären Hybridfahrzeuge eine mögliche Lösung?
Dr. Werner Reh: Hybridfahrzeuge sind nicht unbedingt Sparfahrzeuge. Im Gegenteil: Sie haben zwei Antriebe: einen Verbrennungsmotor sowie einen Elektromotor und eine Batterie. Sparen tun sie nur durch die Aufladung der Batterie mit Hilfe des Motors und durch die Rückgewinnung von Bremsenergie und weil sich dadurch ein günstigerer Verbrauchsdurchschnitt ergibt. So stößt der Toyota Prius nur 104 g CO2 aus. Es kommt allerdings auch immer auf die Art der Stromerzeugung an, z.B. bei einfachen Hybriden, die an der Steckdose aufgeladen werden. Sehr interessant sind z.B. solche Plug-in-hybrids, wie sie in den USA genutzt werden. Da gibt es auch regenerative Pfade. Und in Zukunft wird die Leistungsfähigkeit der Batterie rasch steigen.
IchBlogDich: Gab es bisher Reaktionen von Seiten der von Ihnen angesprochenen Automobilhersteller? Wenn ja, wie sahen diese aus?
Dr. Werner Reh: Von BMW waren drei Mitarbeiter zu unserer Aktion auf dem Münchener Marienplatz gekommen. Mit denen konnten wir schon dort intensiv diskutieren. Jetzt kam noch eine Einladung in das Werk nach München für den 9.2.
Von VW – am 23.11. waren wir in Wolfsburg – und von Mercedes hatten wir bisher noch keine Rückmeldung.
IchBlogDich: Herr Dr. Werner Reh, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Links zu dem Thema:
Kampagne „Spritfresser enttarnen“ des BUND für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V.
Pressemittelung des BUND „DaimlerChrysler ignoriert Klimaschutz – Mercedes muss Modellpolitik ändern“
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