Der Mob zieht durch Kleinbloggersdorf

Seit einigen Tagen stehe ich abends am Fenster unseres Blogs, blicke auf die Straßen von Kleinbloggersdorf und schaue dem Mob zu, der mit brennenden Fackeln und Mistgabeln durch die Straßen zieht. Das Licht der Fackeln kriecht über das nasse Pflaster. Die lauen Sommernächte sind getränkt von den Rufen des Mobs. Wir haben einen Hot-Summer. Auch wenn nicht im Sinne der Temperaturen so doch im Herzen und im Gemüt einiger Blogger. Der Grund: Es wurde mal wieder ein Blogger abgemahnt.

Während der Mob so an meinem Fenster vorbeizieht, und die Stimmen in der Ferne mal wieder leiser werden, gerate ich ins Grübeln.

Das ist nicht das erste mal, dass ich das beobachte. Es ist nicht das erste mal, dass ich dem Trieb, mit dem Knüppel in der einen und einem Seil in der anderen Hand mit dem Mob mit zu ziehen, widerstehe. Und es fällt mir von mal zu mal leichter.

Es gab Zeiten, da zog ich mit. Ja da war man noch neu in Kleinbloggersdorf.
Doch ich habe gelernt. Ich habe gelernt, dass nicht jeder Gejagte des Mobs böse ist.
Ich habe gelernt, dass nicht jeder Abgemahnte unschuldig an der Abmahnung ist.
Sprich ich habe gelernt, dass nicht jede Abmahnung ungerechtfertigt ist. Man lernt, zu differenzieren.

Wo ich nicht mitziehe sind die klassischen und recht eindeutigen Fälle: Ein Blogger hat sich bei einem Bild oder einem Song oder einem kompletten Artikel bei jemand anderem ohne dessen Einverständnis bedient. Da sage ich mir oft: Selber schuld!
No Risk – no Blog. Da muss jeder selber schauen, wo er bleibt.

Oder auch klassisch, wenn sich jemand im Ton vergreift.
Tituliert ein Blogger eine andere Person in seinem Blog öffentlich als „Arschloch“, dann ist das sein Bier, wenn er deswegen Ärger bekommt. Und jeder der dies noch applaudierend kommentiert ist da kein Deut besser.

Schwieriger wird es, wenn irgendwelche Pseudo-Komiker Abmahnungen rausjagen, nur weil sie ihren bürgerlichen Namen nirgends veröffentlicht sehen wollen. Ich halte so etwas persönlich für recht affig.
Doch wenn schon bekannt ist, dass jemand rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichung seines Namens eingeleitet hat, dann halte ich es für recht leichtsinnig, wenn dann einige meinen, jetzt erst recht den Namen veröffentlichen zu müssen. Damit meine ich nicht die indirekten oder direkten Verweise auf Quellen, wo der Realname zu finden ist. Ich denke da eher an die Blogger, die meinen, bei sich oder in Kommentaren anderer Blogs den Realnamen reinschreiben zu müssen. Das ist dann meist nur eine Frage der Zeit, dass das zu Ärger führt. Google sei Dank.

Ich höre, wie die Rufe des Mobs wieder lauter werden. Der Mob kehrt zurück. Das wird wieder mal eine unruhige Nacht. So schnell werden die Leute nicht zur Ruhe kommen. An Schlaf für die Anwohner Kleinbloggersdorf ist damit auch nicht zu denken.
Meine Gedanken schweifen wieder ab.

Auch ein sehr schöner Fall war die Abmahnung eines Bloggers wegen der Veröffentlichung eines Songs, der im Rahmen einer viralen Marketingaktion unters Volk gebracht wurde. Ja, da kam der Mob sehr schnell aus seinen Löchern. Von Ekel wurde geschrieben. Aber einige wurden auch im Hintergrund aktiv. Viele schrieben das abmahnende Unternehmen an und bewirkten, dass dort recherchiert wurde, wie es zu der Abmahnung kam.
Als die Zusammenhänge klarer wurden, zog das Unternehmen die Abmahnung zurück und der betroffene Blogger bekam eine kleine Entschädigung.
Hier zeigte sich klar die Möglichkeiten, die die Bewohner von Kleinbloggersdorf haben. Nicht immer muss man gleich den Mob losschicken und von Ekel schreiben. Ab und an reicht die eine oder andere E-Mail und ein Irrtum wird aufgedeckt.
Schade, dass die Artikel, wo von Ekel gesprochen wurde, auch noch in Jahren zu lesen sein werden. Dass ein Irrtum vorlag geht im Angesicht solcher Worte gerne mal unter. Die Reaktion des Unternehmens war vorbildlich und doch waren die Lobeshymnen leiser als die vorherigen Hasstiraden.

Es gibt eben auch Fälle, die nicht in Ordnung sind. Es gibt auch Fälle, in denen man tätig werden möchte. Es gibt Fälle, deren mögliche Folgen für das eigene Blog selbst Konsequenzen haben können. Oder es gibt Fälle, wo einfach ein Irrtum vorliegt. Oder es trifft wirklich mal ein ganz schwaches Glied von Kleinbloggersdorf. Da möchte man aktiv werden. Zumindest versuchen, die Auswirkungen zu minimieren. Meist schon aus Eigennutz heraus – oft auch aus Prinzip.
Doch was kann man tun? Einfach mit dem Mob mitziehen?

Ich werfe einen Blick die Hauptstraße hinauf, an deren Ende der Mob angekommen ist. Gleich wird er wieder umdrehen und noch eine Runde durchs Dorf drehen. Das ist immer so. Mal ist der Mob kleiner, mal größer. Doch eines ist immer gleich. Anfangs wächst er, da sich bei jedem Zug durchs Dorf neue Einwohner dem Mob anschließen. Dann erreicht der Mob seinen Höhepunkt und die ersten Blogger verlassen den Zug um sich wieder anderen Themen zu zuwenden. Ab hier wird der Mob immer kleiner, bis er sich ganz auflöst. Bis der nächste Mob sich bildet. Same procedure as every year.

Wo war ich mit meinen Gedanken stehen geblieben? Ach ja. Was kann man tun, wenn man helfen möchte?
Nun, gute Frage. Das hängt wohl meist von den eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten ab. Das fängt im Kleinen an. Einen Kommentar hier, einen Gedanken dort posten.
Oder man unterstützt die Betroffenen Personen direkt oder indirekt. Das kann man auch im Hintergrund tun. Der Mob muss dann ohne einen auskommen. Dies hilft manches mal den Betroffenen wesentlich mehr, als eine schreiende Horde.
Wer mutiger und wortgewandter ist, schreibt vielleicht das abmahnende Unternehmen an, bittet um eine Stellungnahme. Das hängt aber auch sehr von dem Unternehmen und dessen Motive ab. Es gibt Fälle, da erachte ich ein Anschreiben als relativ sinnlos. Zu sehr riecht die Abmahntaktik nach kaltem Kalkül.
Manches mal schreibt man halt doch einen Artikel darüber. Zieht quasi mit dem Mob mit. Jedoch immer bedacht, sich rechtlich nicht angreifbar zu machen. Es hilft dem Abgemahnten meist nichts, wenn man sich selber auch noch in die Schusslinie wirft. Also immer schön mitziehen aber Fackel, Knüppel oder Seil zu hause lassen.

Ich lausche in die Nacht hinaus. Es wird ruhiger. Für heute Nacht war es das wohl. Morgen wird der Mob wieder losziehen. Kleiner als der heutige – doch immer noch mächtig genug, dass andere eventuell wichtigere Themen in diesem Sturm der Entrüstung unterzugehen drohen. Aber auch das gehört zu Kleinbloggersdorf. Wer Teil davon ist, hat gelernt, damit umzugehen.
Am Horizont sehe ich die Sonne aufgehen. Ein neuer Tag beginnt. Schauen wir mal, was er uns bringen wird.

Guten Morgen Kleinbloggersdorf

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2 Antworten zu Der Mob zieht durch Kleinbloggersdorf

  1. Stefan Graf sagt:

    Du solltest Geschichtenerzähler werden!
    …oder zumindest als Nebenberuf!

    Liest sich echt gut! 🙂

  2. C.J. sagt:

    Hallo Nachbar. 😉

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